Skulpturen Pfad
Die AlmResidency ist eine Artist Residency im Wald, rund um den Rechelkopf bei Waakirchen. Seit 2016 lädt sie jährlich im Sommer vier bis fünf Künstler:innen auf zwei Berghütten ein, die hundertjährige Ochsenhütte sowie das neuere Jagaheisl. Die Kunstschaffenden kommen sowohl aus dem nationalen als auch internationalen Raum. Auf den Hütten leben und arbeiten die Kunstschaffenden für zehn Tage, in denen sie ihre vorab eingereichten Konzepte umsetzen.
Im Jahr 2025 feiert sie ihr 10-jähriges, anlässlich diesen Jubiläums haben 7 Residents Kunstwerke geschaffen, sie sind zu entdecken im Bach sowie auf dem Wurzelweg zwischen den beiden Hütten. Eine Erweiterung, stetige Ergänzung dieses Skulpturen Pfades ist angedacht. In den letzten zehn Jahren hat sich die AlmResidency zu einem guten Beispiel für die Internationalität und weltoffene Haltung Bayerns entwickelt.. Künstler*innen aus aller Welt kommen hier zusammen, knüpfen langfristige Kooperationen und tragen das bayerische Kulturgut in die Welt hinaus.
JANINA TOTZAUER
FLUT
Im Fluss unterhalb der Ochsenhütte haust ein Wesen, das an einen Oktopus erinnert. Zwar fehlen ihm die Tentakel, doch trotzt es unbeirrbar der Strömung, umspült vom klaren, eiskalten Bergwasser. Die hybride Gestalt, geschaffen von der Künstlerin Janina Totzauer, ist aus Keramik geformt und Teil ihrer Werkserie „Flut“. Dieses Zwischenwesen – eine Verbindung aus Fisch, Amphibium und Eizelle – steht exemplarisch für viele andere Kreaturen der Serie. Der Titel „Flut“ verweist auf das Übermaß, das Überlaufen und Ausufern. In Totzauers Arbeiten zeigt sich ein apokalyptischer Tanz der Spezies: Während der Mensch sich seit jeher als Herrscher der Welt und allen Tieren überlegen wähnte, beginnt ihm nun die Kontrolle über seine Umwelt zu entgleiten.
janinatotzauer.de
BENEDIKT GAHL
Planet der Affen
Eine Treppe ohne Funktion. Sie ermöglicht weder Auf noch Abstieg, sondern lädt lediglich zum Rätseln ein. Ist sie ein Relikt aus der Vergangenheit. Oder gibt sie einen Ausblick auf eine unbestimmte Zukunft? Sie lädt dazu ein, innezuhalten und über den Platz des Menschen in der Natur nachzudenken. Der Wald mit seiner Lebendigkeit und Weite kontrastiert die Härte des Betons und zeigt, wie Kunst und Natur auf subtile Weise miteinander in Beziehung treten können. Die Zeit als gestalterisches Mittel ist mitgedacht. In 50 oder 100 Jahren wird die Treppe ganz anders aussehen. Im Hier und Jetzt ist sie zunächst eine „nagelneue Ruine”.
@b.g.a.h.l.
ANNA PASCO BOLTA
chewed matter
Bunte Kaugummis aus Keramik blitzen auf zwischen den Bäumen, in den Baumritzen. Humorvoll markieren sie unsere Präsenz in dieser natürlichen Umgebung. Der Kaugummi ist ein ganz alltäglicher, banaler und popkultureller Gegenstand - man kaut ihn meist ohne groß nachzudenken. Doch hinter dieser scheinbar künstlichen Form steckt ein natürlicher Ursprung:
Der Kaugummi stammt aus dem Latex des Sapotillbaums (Manilkara zapota), einer Pflanze, deren Saft schon seit Jahrhunderten gekaut wird. Wir zermalmen etwas Künstlich-wirkendes aus der Natur, etwas scheinbar Wertloses, das Prozesse im Körper aktiviert, die Speichelproduktion anregt, die Darmflora verändert. Die übergroßen Skulpturen, in die Spalten des Waldes eingefügt, übertragen diese automatische Geste in die Landschaft: das Weiche im Harten, das Kulturelle im Natürlichen, das Vergängliche im Bleibenden. Die Arbeit will zum Innehalten einladen, möchte, dass wir erkennen, wie selbst alltägliche Handlungen Spuren in der Umgebung hinterlassen.
annapascobolta.com
GÜLBIN ÜNLÜ
Helter Shelter
Leuchtend blau zieht Gülbin Ünlüs Arbeit „Helter Shelter“ im dichten Brombeergestrüpp sofort den Blick auf sich. Die Installation greift die Form des stilisierten Nazar-Auges auf – ein Symbol, das traditionell vor dem „Bösen Blick“ schützt – und verwandelt es in einen Schutzraum für Waldbewohner:innen wie auch für Wandernde. So verbindet sich Symbolik mit Ökologie: Das Auge wird zum Sinnbild für Fürsorge, Kreislauf und Gleichgewicht. Es entwirft ein zirkuläres Gegenbild zu den extraktiven Formen von Macht.
guelbin.com
LINDA WEISS
Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie
Eine Gabione (ital. gabbione „großer Käfig“) steht im Wald entlang des Wurzelweges. Der Steinkorb lädt zum hinsetzen ein. Gefüllt mit Kalksteinen der Umgebung, an Lärmschutz entlang von Straßenrändern oder an Böschungsbefestigungen erinnernd, prahlt sie mit ihrer funktionalen Nüchternheit. Die hier angebotene Bank ist nicht nur Einladung an die menschlichen Waldbader:innen, sondern zieht auch Insekten, Pflanzen und Pilze an. Es stellt sich die Frage, wer geschützt oder/und eingesperrt wird, wer sich zurückzieht oder eingeengt wird. Zog der
Semmelstoppel in die Gabione ein oder wurde der Mykorrhizapilz angesiedelt? Vertragen wir Natur nur noch in kleinen Dosen? Einzig klar ist in dieser Begegnung, der Mensch sitzt oben auf. Oder?
lindaweiss.de
ANNA LENA KELLER
fixing leaves 2
Die aus Aluminiumguss und Edelstahl gefertigte Skulptur „fixing leaves 2“ der Künstlerin Anna Lena Keller ist mithilfe von Bohrungen an einem abgestorbenen Baum befestigt.
Sie schimmert bereits aus weiter Ferne und wirkt wie der überdimensionale Panzer eines Käfers, der sich am Totholz festklammert. Die Skulptur ist vom medizinischen Verfahren der Osteosynthese inspiriert. So wie es notwendig ist, gebrochene Knochen zu fixieren um das menschliche Skelett zu stabilisieren, so ist es für das „Gerüst des Waldes“ essenziell, beschädigte Bäume zu integrieren. Die toten Bäume sind ein bedeutender Bestandteil des Ökosystems und Lebensraum für zahlreiche Käfer- und Pflanzenarten. Das Objekt verbindet so die Idee des Reparierens mit dem Zulassen natürlicher Prozesse.
annalenakeller.com
HERTA SEIBT DE ZINSER
Hojas 2021
Man muss sie suchen und dem Auge Zeit geben, sich an den dunklen Wald zu gewöhnen. Erst auf den zweiten oder dritten Blick ist die Skulptur der Künstlerin Herta Seibt de Zinser zwischen den Bäumen zu entdecken: Schmale Eisenrohre, die gebogen und ineinandergesteckt wurden, erhalten erst vor Ort ihre endgültige Form. Die Ursprünge sind Pflanzenzeichnungen und Skizzen. Im Prozess des Schweißens und Biegens, des Verbindens, erhält die Skulptur ihre abstrakte Form. Die Linien bleiben weich, passen sich an und fügen sich ein im Wald. Die Arbeit erinnert an Blätter, die ineinandergeschichtet sind. Sanft und ruhig kann man durch sie hindurchblicken.
hertaseibtdezinser.de